2014 m. liepos 10 d., ketvirtadienis

Gäste aus Luzern: Willkommen in Litauen!

Šiauliai, den 18. Mai 2014





Hallo, Rita!
Schade, dass meine Heimatstadt Šiauliai mit der Schweizer Turmuhr nicht auf Ihrem Reiseplan steht. Wir sehen uns in Vilnius!             Nijolė

              Šiauliai, den 31. Mai 2014 (Mit Maironis an der Uni Vilnius)
Liebe Rita,
ich habe mich sehr gefreut, Sie im schönsten Monat Mai in Litauen und besonders im  "Musenvestibül" der Philologischen Fakultät der Universität Vilnius begrüßen zu können. Der berühmte Künstler R. Gibavičius (1935-1993) hat diesen Raum mit neun griechischen Musen im Jahre 1969 in Sgraffito geschmückt. Ein paar Schritte weiter hat er 1980-1990  an Porträts der 15 berühmtesten Persönlichkeiten Litauens gearbeitet. Liebe, Rita, Sie sitzen beim Priester und Dichter Maironis (1862-1932). Einer seiner beliebtesten Orte in der Welt war die Region Luzern in der Schweiz, die er von 1894 bis 1907 ständig besucht hat. Seine Villa St. Charles Hall war bei Ihnen in Meggen, in der Bezeholzstrasse. Man vermutet, dass seine Gedichte "Rigi Kulm" (1895) und "Am Vierwaldstättersee" (1904) in Meggen entstanden sind.
Während der Reise durch die Schweiz habe ich viele schöne Gegenden und Städte – Bern, Zürich, Genf, Basel usw. – besucht. Aber Luzern mit dem Vierwaldstättersee und den Alpen hat mir am besten gefallen, aber ich konnte nicht verstehen, warum? In dem Moment habe ich MaironisGedichte einfach vergessen... Ich habe mich daran wieder erinnert, als ich ein paar Jahre später bei Ihnen während der Germanistiktagung gelebt habe. Ich ahnte aber nicht, dass seine Villa 5 Min. entfernt von Ihnen war. Als ich einmal schon nach Mitternacht in die Schönblickstraße zurückgekehrt bin, konnte ich die Tür nicht öffnen. Ich setzte mich in Ihren duftenden Blumengarten und wartete auf meine Kollegin. Es war eine helle Sommernacht. Vorne plätscherten die Wellen des Vierwaldstättersees und in der Ferne ragten die Alpengipfel und Rigi Kulm - alles beleuchtet vom riesigen Mond. Ich saß wie verzaubert! Wohl wie Maironis vor vielen Jahren, als er hier gedichtet hat.   Hätte ich die ganze Nacht gesessen, wäre ich vermutlich auch Dichterin geworden...
Mit besten Musen-Grüßen                     Nijolė            

Šiauliai, den 2. Juni 2014 (Bei den litauischen Göttern)   
Liebe Rita,
und noch ein Foto: da stehen Sie zwischen dem Fluss- und Quellengott Patrimpas und der Glücksgöttin Laima, zwischen zwei von den acht mythologischen Figuren, die der berühmte Mosaikmeister V.Trušys im Granitmosaik "Aus der litauischen Mythologie" (1978) an derselben Fakultät dargestellt hat. 1936 in Kaunas geboren, in Vilnius studiert, aber seit 1961 hat er in Šiauliai gelebt. 
Der andere berümte Künstler P. Repšys ist 1940 in Šiauliai geboren, aber seit seiner Studienzeit an der Kunstakademie 1960 lebt er in Vilnius. Fast 10 Jahre (1976-1986) hat er an der Uni an seinem Lebenswerk –  am Freskogemälde "Die Jahreszeiten" gearbeitet, wo der litauische mythologische Weltbegriff dargestellt ist. Ich konnte den Künstler durch die Uni laufen sehen, als ich dort studierte. Wenn er stehen geblieben war, um jemand anzusprechen, bewegten sich sein Körper, sogar sein Schnurrbart weiter. Das ist ein reger Mensch vom regen Charakter und es ist kein Wunder, dass sich auch alle Figuren in seinem Werk bewegen. Man sagt, wer dieses Gemälde nicht gesehen hat, weiss auch nicht, was die Schönblickwelt ist. Liebe Rita, Sie sind vom Licht dieser Schönblickwelt beleuchtet, weil Sie auf dem Foto im Mittelpunkt dieser mythologischen Welt stehen und weil Sie in der Schönblickstrasse leben...
Viele Grüße von der Glücksgöttin Laima    Nijolė

Šiauliai, den 3. Juni 2014 (Zu den Sternen)  
Hallo, liebe Rita,
danke schön für Ihre SMS aus Helsinki. Kein Wunder, dass es dort kühl ist – in Finnland lebt der Weihnachtsmann! Ich schicke Ihnen ein Foto aus dem heißen Vilnius, wo Sie das alte Observatorium auf dem Observatoriumshof der Uni Vilnius fotografieren. Oben kann man die 12 Tierkreiszeichen sehen und die Worte des römischen Dichters Vergil über die Astronomie lesen: "Addidit antiquo virtus nova lumina coelo"(Kühnheit hat dem alten All neues Licht verlieren). Darauf folgt die Inschrift: "Haec domus Uraniae est: Curae procul este profanae. Temnitur hic humilis tellus: Hinc itur ad astra" (Dieses Haus gehört der Urania: fort mit euch, ihr nichtigen Sorgen. Hier wird die jämmerliche Erde verachtet: von hier aus steigt man zu den Sternen!). Hier auf dem ältesten Hof der Uni, der das gegenwärtige Aussehen Anfang des 17. Jhs erhielt, haben wir eine kurze Pause gemacht und uns an die Schweiz erinnert. Dann setzten wir unsere Bekanntschaft mit der alten Uni fort.
Die Universität (gegründet 1579) umfasst eine Reihe von den alten Gebäuden mit 12 Höfen aus dem 16-19 Jh. Wohl am interessantesten sieht der Große oder P. Skarga-Hof aus. Den ganzen Hofraum beherrschen die barocken Bauformen, obwohl hier sogar die drei Architekturstile zu sehen sind. P. Skarga (1536-1612), der erste Rektor der Uni, würde sich wohl auch wundern, wie gut die eleganten Renaissancearkaden, die ruhige klassizistische Fassade der Aula und die wogenden Barockformen der St.-Johannes-Kirche sowie die des Glockenturms zueinander passen. Die Kirche erhielt die jetzigen barocken Formen erst Mitte des 18. Jhs. Vom Weltniveau ist ihr Hauptaltar – wir hatten ein bisschen Zeit, um es zu bewundern. Im Glockenturm, im höchsten Bauwerk der Altstadt von Vilnius, sind wir mit dem Lift hochgefahren – zu den Sternen.
Viele Sternegrüße aus Litauen                Nijolė    

Šiauliai, den 5. Juni 2014 (Barocko)  

Liebe Rita,
als wir mit dem Lift des Glockenturms hochgefahren sind, haben wir die Sterne nicht erreicht, aber die Welt von Urania (Sternkunde) war schon ziemlich näher. Vor uns war eine der größten Altstädte in Osteuropa (ca. 255 ha),  die die fünfhunderjährige Geschichte der europäischen Architekturstile –   Gotik, Renaissance, Barocko und Klassizismus – widerspiegelt. Das mittelalterliche gotische Vilnius wurde zerstört (Krieg, Brand). Die im Barockstil wiederaufgebaute Stadt wurde eine Barockstadt. Sie, liebe Rita, haben Riga und Tallinn besucht und können auf dem Foto sehen, dass die Dächer der Altstadt von Vilnius nicht so steil sind wie dort und dass hier die Barocktürme dominieren. Man sagt, dass sogar die Wolken über Vilnius Barockformen haben. 
In diesem Barockraum glänzt die Annenkirche, das berühmteste Gotikdenkmal in Litauen (1581). Als wir ihre graziösen Türme da oben gesehen haben, konnten wir Napoleon gleich verstehen, warum er diese Kirche neben die Notre-Dame-Kathedrale in Paris stellen wollte. Aber die Annenkirche harmoniert bestens auch mit der daneben stehenden gotisch-barocken Bernhardiner-Kirche (16. Jh.). Im Vordergrund leuchtet die weiße Mykolas-Kirche im Renaissancestil (17. Jh.). Ihr graziöser barocker Glockenturm passt wunderbar sowohl zu ähnlichen Türmen der Kirchenfassade, als auch zu den Türmen der Annen- und Bernhardinerkirche im Hintergrund. Die Gebäude und Türme verbergen einander nicht, sondern ergänzen einander so, dass es nichts weiter übrig bleibt, als sie zu genießen. Das Spiel der Architekturlinien und -formen ist hier einfach vollkommen. Wunderbar spielen auch die Farben im frischen Frühlingsgrün!  
In Vilnius ist die Architektur mit der Natur eng verbunden. Deshalb ist diese Stadt mit keiner anderen Stadt zu verwechseln. Dieses Foto der Altstadt von Vilnius könnte ein Bild sein. Aber es ist kein Bild, sondern eine Barockrealität, die wir vom Glockenturm der Johannes-Kirche beobachtet haben.
Mit den barocken Grüßen                Nijolė

Meggen/Luzern, den 5. Juni 2014
Meine liebe Nijole, 
nun kann ich wieder schreiben, nachdem mein Computer eine Auszeit hatte, während ich selbet Ferien genoss. Ihre Fotos halfen mir sehr bei der Rückblende: Die Altstadt, die Uni mit den verschiedenen Stilelementen, die Johanneskirche mit dem Lift. Und da oben – die atemberaubende Aussicht, das "Geräusch, das sich dann später erklären liess! Das Freskogemälde "Die Jahreszeiten" von P. Repšys ja, eine Schönblickwelt... Die Schönblickstr., in der ich wohne, hat ja auch mit der Naturschönheit zu tun.
Überrascht hat mich die Geschichte Ihres Dichters Maironis, der in der St. Charles Hall in Meggen gewohnt haben soll. Diese Villa (5 Minuten von mir entfernt) gehörte zuletzt einer Stickereifabrikanten-Familie aus der Ostschweiz. Jetzt gehört sie einer privaten Stiftung. Es werden hier Konzerte, Lesungen, aber auch Führungen angeboten und einmal im Jahr haben wir als Quartierverein das Privileg unseren Apero am 1. Januar eines jeden Jahres dort zu geniessen. 
Es würde mich freuen Sie bei mir als Gast zu haben. Gerne zeige ich Ihnen die St. Charles Hall, die Rigi, den Vierwaldstättersee, mit anderen Worten "Auf den Spuren von Maironis"! Wir haben 5 Dampfschiffe aus den Anfängen des 20. Jh., überholt und einzigartig in der Schweiz. Es gab eine Zeit als man alle Dampfschiffe verschrotten wollte, heute sind sie begehrter denn je. 
Mit lieben Grüßen                                     Rita
                                                                            
Šiauliai, den 6. Juni 2014
Hallo, Rita,
danke schön für Ihre Einladung zur Reise "Auf Spuren von Maironis". Ich weiß, dass die litausichen Touristen, die Luzern besuchen, fahren dann noch ein paar Kilometer nach Meggen. Auf dem Villenhof, wo Maironis-Linde wächst, mögen sie kleine Bernsteinstücke begraben. In St. Charles Hall soll auch eine Gedenktafel für Maironis sein. 
Viele Grüße aus Litauen         Nijolė